Frauenlehrgang 2002

Am Freitag ab 17:00 Uhr trafen die 52 Teilnehmerinnen aus 16 Rudervereinen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark sowie ihre Lehrgangsleiterin Heida Benecke in der Ruderakademie in Ratzeburg ein. Nachdem der Lehrgang viele Jahre von Lisa Börms erfolgreich geleitet wurde, war dies nun für Heida Premiere. Etwas aufgeregt war die „Neue“ schon. Wird alles so klappen, wie sie es sich vorgestellt hat? Machen die Referenten ihre Sache gut? Keine Angst, die Referenten waren super!

Los ging es am Freitagabend mit einem Diavortrag, nicht über Eisbären dafür aber über jede Menge Eisberge. Jörn Tietje aus Schleswig berichtete über zwei Kajaktouren in Grönland. Seine erste Reise ging im Sommer 1999 zusammen mit Doris Dibbern und Matthias DeVries beide ebenfalls aus Schleswig an die Westküste Grönlands nach Ilulissat und in die Disko-Bucht sowie eine Wanderung nach Kangerlussuaq (zu deutsch: langer Fjord), das am dichtesten ins Inlandeis hineinragt und etwas nördlich des Polarkreises liegt (nachzulesen unter www.skc-haithabu.de). Atemberaubende Bilder von hochhausgroßen Eisbergen (100 m über dem Meer, 80-90% darunter), dem Ilulissat-Eisfjord (1.000 m tief), in dem sich auf 40 km Eisberge aufgestaut haben und an dessen Ende sich einer der aktivsten Gletscher (22 m/Tag mit 10 Millionen Tonnen Eis) befindet, einer enormen Fernsicht von 50-70 km, glasklarem Wasser, romantischen Sonnenunter- und –aufgängen (Mitternachtssonne), Finnwalen, Robben, neugierigen Polarfüchsen, Moschusochsen, Rentieren und der kargen aber wunderschönen Natur (knöchelhohe Birken) veranlassten so manche dazu zu sagen: „Da will ich auch hin!“ Wenn da nicht die vielen, vielen Mücken wären. Die zweite Grönland-Fahrt führte das Trio im Sommer 2001 ebenfalls an die Westküste in den Uummannaq-Fjord. Beeindruckend waren die akustischen Untermalungen: Das „Kalben“ der Gletscher: kleine und große Eisberge fielen mit lautem Getöse ins Meer. Platzendes Eis im Wasser hörte sich an wie das Zerspringen von Kandiszucker im heißen Teewasser. Und beim Gejaule der vielen Schlittenhunde fehlte nur noch der unangenehme Geruch, den die Vierbeiner verbreiteten. Grönland ist ein Land der Extreme: Mit einer Fläche von über zwei Millionen Quadratkilometern ist sie die größte Insel der Welt (etwa sechsmal so groß wie Deutschland). 84% sind allerdings mit Eis bedeckt, das stellenweise eine Stärke von bis zu 3,5 km aufweist. Die meisten der insgesamt 56.000 Einwohner leben an der Westküste. Anfang Februar geht zum ersten Mal wieder die Sonne auf, nachdem sie sich drei Monate lang nicht blicken ließ und die arktischen Temperaturen auf über 40°C unter Null abfallen ließ. Im Sommer herrschen enorme Temperaturunterschiede: nachts 0°C, tagsüber 40°C, und die Wassertemperatur beträgt gerade mal 2-3°C. Die tägliche Körperpflege kostete den drei Schleswigern einige Überwindung. Nach über zwei Stunden ging ein schöner Vortrag zuende und Jörn wurde mit einem kleinen Geschenk von Heida und viel Applaus verabschiedet.

Teilnehmerinnen Frauenlehrgang 2002
Die Teilnehmerinnen des Frauenlehrgangs (Foto: Eva-Maria Ziemann, Mölln)

Das frühe Aufstehen am Samstagmorgen fiel einigen dann doch etwas schwer angesichts der kurzen Nacht und der viel zu weichen Betten. Aber Heidas Weckdienst konnte fast keine widerstehen. Und so fanden sich denn alle, die sich für sportlich hielten in der kalten Halle ein, um sich von Christine Buschmann vom LFRK und der entsprechenden Musik frisch machen zu lassen. Der Rest pflegte seinen Schönheitsschlaf oder ging spazieren, um langsam wach zu werden. Frisch geduscht und gestärkt vom reichhaltigen Frühstück ging es auch gleich zur Sache. Die Referentin Birgit Blumenau, Berufsschullehrerin am Institut für Praxis und Theorie Schleswig-Holstein (IPTS), spezialisiert auf das Thema Frauenfortbildung, versprach sogleich, dass wir unseren Männern gegenüber wie verwandelt auftreten werden. In ihrem Vortrag „Sich behaupten und durchsetzen“ ging es um die geschlechtsspezifischen Kommunikationsstile (Was ist typisch männlich/weiblich?) und die Möglichkeiten, wie Frau sich und ihre Wünsche unmissverständlich durchsetzen kann. Dafür wurden erst einmal der Begriff „Selbstbehauptung“ definiert und die fünf Teile unserer Seele (innerer Kritiker, innerer Antreiber, inneres Kind, das liebevolle Selbst als Korrektiv und das sachbezogene Selbst) analysiert. Frau Blumenau nannte dazu einige Beispiele, in denen sich einige wiedererkannt haben, was für allgemeine Erheiterung sorgte (der Bikini-Kauf und die Verwirklichung von Vorsätzen). Wir haben gelernt, wie man als Frau seine Bedürfnisse und seine Meinung gegenüber der Männerwelt mit bestimmten Strategien und Gelassenheit durchsetzen kann (ABC der Beharrlichkeit oder Angriffs-Judo). Für praktische Übungen war die Zeit leider zu kurz. Aber nach dieser erfolgreichen theoretischen Stärkung unseres Selbstbewusstseins bedankte sich Heida mit einer kleinen Aufmerksamkeit bei Frau Blumenau.

Nachdem wir dann auch noch unsere Körper gestärkt hatten, stellte Lisa Börms als Vorsitzende des Ausschusses Frauenrudern im DRV die Einladung und das Programm des 3. Frauen Forums des DRV vom 18.-21. April 2002 in Schweinfurt vor, das unter dem Motto „Frauen an die Spitze“ eine interessante Veranstaltung zu werden verspricht. Anmeldungen nimmt Lisa bzw. der DRV bis zum 20. März 2002 entgegen.

Nach dieser Ankündigung folgte der angenehmste Teil des Tages: Eine Fußreflexzonenmassage. Zuvor musste allerdings das Platzproblem gelöst werden; der Tagungsraum war für die vielen Teilnehmerinnen zu klein. Das folgende Tische- und Stühlerücken regte den Kreislauf an, sodass die Heilpraktikerin Jutta Deter aus Bad Schwartau uns erst einmal wieder zur Ruhe kommen lassen musste. Dafür hatte sie für ihren Vortrag einen guten Einstieg gefunden: Als Nicht-Ruderin hatte sie sich ein paar Fragen überlegt, wer in der Gruppe auf die längste Ruderzeit zurückblicken kann und wer auf die kürzeste, und in welchem Alter die Frauen damit angefangen haben. Dabei wurde festgestellt, dass das Rudern eine Sportart für jede Generation ist und ohne gesundheitliche Probleme noch bis ins hohe Alter betrieben werden kann, woraufhin das Interesse Frau Deters immer größer wurde und sie schon mit dem Gedanken spielte ebenfalls damit anfangen zu wollen. Nach ein paar Gleichgewichtsübungen hat jede ihre innere Ruhe gefunden, sodass die Referentin in entspannter Atmosphäre anhand einer simplen Fußzeichnung die einzelnen Reflexpunkte und deren bezug zum Körper sehr anschaulich darstellen konnte. Und jede hatte gleich die Gelegenheit genutzt, ihre eigenen Füße „durchzunudeln“ und die verschiedenen Massagetechniken auszuprobieren. Danach ging es dann richtig zur Sache: gegenseitige Partnermassage. Auf Lumas gebettet und in Wolldecken gehüllt war es die reinste Wohltat, zumal Frau Deter bereitwillig Auskunft darüber gab, welche Reflexpunkte bei bestimmten Beschwerden besonders zu massieren sind, bevor auch sie mit einem kleinen Geschenk von Heida verabschiedet wurde.

Nach dem Abendessen nutzten einige die Gelegenheit zum ausgiebigen Schwitzen in der renovierten Sauna der RAR, um sich noch mehr Entspannung zu gönnen und ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun. Die Übrigen haben sich bei Wein, leckeren Knabbereien, guten Gesprächen und sehr lustigen Kartenspielen (Die UNO-Spielregeln müssen für den nächsten Lehrgang noch einmal ausdiskutiert werden!) bis Mitternacht vergnügt.

Auch am Sonntagmorgen funktionierte Heidas Weckdienst, sodass wieder alle erfrischt und gestärkt dem nächsten Vortrag mit höchster Konzentration lauschen konnten, der da hieß „Vom gesundheitsbewussten Mädchen zur Frau mit chronifizierter Essstörung?“. Die Referentin Heike Behrens, Psychologin und Psychotherapeutin in der Frauensuchtberatungs- und Behandlungsstelle donna klara e. V. in Kiel teilte ihren Vortrag in drei Teile: 1. Leistungssport-Frausein-Essstörung, 2. Funktion des Essens und 3. Gesundheitsbewusstsein-Essstörung. Ein Spiegelreport über den Ruderer Bahne Raabe, der an Magersucht (Anorexie) gestorben ist, die bei Männern eher selten vorkommt, diente für den ersten Teil als Aufhänger. 25% der Frauen im Leistungssport (v. a. beim Turnen, Rudern, Judo, Langlauf) leiden an Magersucht. Die Zahl der Magersüchtigen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Einstiegsalter ist meist der Beginn der Pubertät manchmal auch schon ab 10/11 Jahren. Bei der Ess-Brech-Sucht (Bulimie) liegt das Einstiegsalter mit 18/19 Jahren etwas höher, Tendenz fallend, während bei der Ess-Sucht (Adipositas) eine Häufung zwischen 45 und 64 Jahren auftritt, und der Anteil mit fast 20% bei Männern und Frauen ausgeglichen ist. Von einer latenten Ess-Sucht ist schon fast jeder betroffen, der sich ständig mit seinem Gewicht und seinem Essverhalten beschäftigt. Hinzu kommt das Bild vom idealen Körper, bei dem die Medien eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen. Weitere Faktoren sind die Wichtigkeit von Aussehen und Ästhetik, der hohe Leistungsdruck und das Streben nach Anerkennung, Angst vor der Gewichtszunahme und das Vorhandensein von Nahrungsmitteln im Überfluss. Der zweite Teil begann mit einer Übung, die den meisten recht schwer fiel in Anbetracht des reichhaltigen Frühstücks und des immer noch anhaltenden Sättigungsgefühls: Bei entspannter Körperhaltung sollte sich jede ihre Lieblingsspeise vorstellen, den Geschmack, den Geruch und die Gefühle, die sie damit verbindet. Im dritten Teil ging es um die Ursachen und Gründe für ein gestörtes Essverhalten. Bestimmte Essgewohnheiten werden schon im Kindesalter geprägt. Es gibt für eine Essstörung keine alleinige Ursache. Es spielen immer verschiedene Faktoren eine Rolle wie gesellschaftliche Vorgaben, die familiäre Situation (Tod eines Angehörigen, Scheidung), die genetische Veranlagung, der Umgang mit Nahrung, die körperliche Entwicklung in der Pubertät, vorausgegangene Diäten oder auch sexuelle Gewalt (Ablehnung von Frausein, Abspaltung von Körper und Gefühl). Im Anschluss an den Vortrag ging es um die Beantwortung der Fragen: Was kann man tun, wenn man den Verdacht hat, dass jemand Magersüchtig ist? Wie kann man ihm gegebenenfalls helfen, ohne das Gegenteil zu erreichen? Wichtig ist vor allem die süchtige Person ernst zu nehmen und erst einmal Vertrauen zu schaffen und auf keinen Fall hinter dem Rücken der Person etwas zu unternehmen. Nachdem Heida die Referentin mit einer kulinarischen Kleinigkeit verabschiedet hat, widmeten sich die Teilnehmerinnen ebenfalls der Nahrungsaufnahme. Mit rund gefüllten Bäuchen fanden sich danach alle zum gemeinsamen Fotoshooting zusammen.

Zum Abschluss standen noch die Punkte Lehrgangskritik, Planung und Termine für 2002 auf dem Programm. Zunächst einmal wurde der Lehrgang als besonders gelungene Veranstaltung gelobt. Heida Benecke hat sich als würdige Nachfolgerin von Lisa Börms erwiesen, was ihr die Teilnehmerinnen mit einem kleinen Geschenk und viel Applaus dankten und mit dem Versprechen beim nächsten Mal auf jeden Fall wieder dabei zu sein. Heida – sichtlich gerührt – machte noch Werbung für die Frauenwanderfahrt auf der Trave nach Bad Oldesloe vom 24.-26. Mai 2002 und versprach die Wünsche für den nächsten Lehrgang (noch mehr „Wellness“) zu berücksichtigen und bedankte sich ihrerseits bei den Teilnehmerinnen.

Zum Schluss noch ein herzliches Dankeschön an die hervorragende Küche der RAR in Ratzeburg, an die tollen Referenten, an Christine Buschmann für die Morgengymnastik und natürlich an Heida. Wir sehen uns beim nächsten Mal.

Lena André, Lübecker Frauen-Ruder-Gesellschaft von 1907 e.V.

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