Frauenlehrgang 2004
Am Freitag trafen sich 51 unternehmungslustige Frauen aus 12 Rudervereinen aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zum 29. Frauenlehrgang in der Ruderakademie in Ratzeburg.
Nach dem leckeren Abendessen wurden wurden wir von Heida Benecke begrüßt. Sie stellte uns Helga Walsemann vor, die unseren ersten Abend gestalten sollte. Frau Walsemann ist eine ehemalige, langjährige Schulleiterin, die es sich zum Ziel gemacht hat, die plattdeutsche Sprache wieder „aufleben zu lassen“. Sie hat uns Geschichten aus dem alten Lauenburgischen und dem alten Ratzeburg vorgelesen, die angeblich alle tatsächlich geschehen sein sollen. Die Geschichten handelten von Räubern, Drachen und Unterirdischen. Sie waren spökerig und gruselig. Zum Schluss las uns Frau Weisemann eine Passage aus Über das Wasser von H. M. van den Brink vor, welche sie ins Plattdeutsche übersetzt hatte. Diese Rudergesichte wirkte auf uns spannend und faszinierend zugleich. Zwischen den einzelnen Geschichten wurde der Abend durch das gemeinsame Singen plattdeutscher Lieder aufgelockert. Heida Benecke bedankte sich bei Frau Walsemann für diesen besinnlichen, vielleicht auch ein bisschen gruseligen Abend mit einem kleinen Präsent. Der Abend klang traditionsgemäß mit einem gemütlichen Beisammensein aus.
Am Samstagmorgen vertrieb Karin Kaschke unser Blei aus den Gliedern mit der traditionellen Morgengymnastik. Nach dem Frühstück wartete Annika Pech (Frauenreferentin beim LSV in Kiel) bereits auf uns, um uns den Begriff Gender Mainstreaming (GM) zu erklären und zu erläutern. Gender Mainstreaming (GM) wurde erstmals 1985 bei der Weltfrauenkonferenz in Nairobi erwähnt und dann 1995 auf der Weltfrauenkonferenz in Peking festgeschrieben. 1996 wurde GM für EU-Regierungen mit Amsterdamer Vertrag festgeschrieben und 2002 erfolgte der Umsetzungsbeschluss der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung. Seit 2003 werden Fördergelder vom LSV nur noch bei Berücksichtigung des GM-Gedanken bewilligt. Gender Mainstreaming bedeutet die gleichwertige Beurteilung von Frauen und Männern durch unterschiedliche Lebensstile. Es gibt typisch weiblich und typisch männliche Lebensstile. So kümmern sich die Frauen um den Haushalt, die Kinder und den Beruf, wobei sie alles miteinander koordinieren und organisieren müssen, während die Männer gradlinig ihrer Arbeit nachgehen. GM hat zwei Ziele: Allgemeines Bewusstsein für die Unterschiede zwischen den Lebensmustern von Frauen und Männern und die gleichwertige Beurteilung trotz ihrer Andersartigkeit. GM bedeutet, dass bei allen Aktionen, Planungen und Maßnahmen zu untersuchen ist, wie diese sich auf Frauen und Männer auswirken und zu beachten, ob ein Geschlecht diskriminiert wird. Außerdem ist GM die Strategie, die die Anliegen und Erfahrungen von Frauen ebenso wie die von Männern in Planung, Durchführung, Überwachung und Ausführungen von Maßnahmen selbstverständlich mit einbezieht. In Gruppenarbeiten sollten wir jetzt zwei unterschiedliche Einladungen entwerfen. Die eine sollte allgemein – wie immer – gefasst werden und die andere unter Berücksichtigung von GM. Nach 30 Minuten wurden unsere Vorschläge vorgestellt und besprochen, wobei sich herausstellte, dass der Putz- und Arbeitsdienst ein sehr wichtiger Aspekt in den Rudervereinen ist.
Der Unterschied zwischen der Frauenförderung und GM ist, dass die Frauenförderung in der Frauenpolitik (nur für Frauen) festgelegt ist, während GM auch die Männer anspricht. Bei GM sollen nachhaltig Strukturen verändert werden. Geschlechtsspezifisches Denken muss bei GM eingeflochten werden. GM muss langsam wachsen und in allen Bereichen eingeführt werden, in jedem – gemischten – Verein, in jeder Sparte oder Abteilung. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Bei einer klaren ausdrücklichen Selbstverpflichtung muss sogar eine Satzungsänderung erfolgen, aus der hervorgeht, dass der GM-Gedanke klar durchgesetzt werden soll. Ein Vorteil der Einführung des GM ist der Erhalt von Fördermitteln, die z.B. ein Verein nur erhält, bei Berücksichtigung von GM. Ferner erhöht GM in Zukunft das Vereinsimage. Die Umsetzung von GM ist in vielen Verbänden jedoch zurzeit sehr schwierig, da noch mehr männliche Vorsitzende und weniger weibliche Vorsitzende in den Vorständen arbeiten. Um GM einzuführen, gibt es keine ?goldenen Regeln", Erfahrungen zeigen jedoch, dass durch Schulungen und Training der GM-Gedanke langsam wachsen wird. Vielen Dank für diesen lehrreichen und interessanten Vortrag!
Nach der Mittagspause fuhren wir gemeinsam zur Turnhalle der Förderschule. Dort wartete bereits Horst Raschke auf uns. Herr Raschke unterrichtet seit 12 Jahren an der Volkshochschule Yoga. Jetzt sollte er uns in die Technik des Hatha-Yoga einführen. Übersetzt heißt Yoga sich verbinden. Durch völlige Entspannung stellt sich die Harmonie ein, die das eigentliche Ziel von Yoga ist. Herr Raschke führte uns zahlreiche Yoga-Übungen vor (im Stehen, in der Rücken- und in der Bauchlage). Wir versuchten, die manchmal etwas komplexen Übungen nachzuvollziehen, um die völlige Entspannung zu erfahren. Ob bei allen von uns sich eine Harmonie einstellte, konnte nicht festgestellt werden. Nach dieser dreistündigen Einführung in die Yoga-Technik wartete bereits ein leckeres Abendessen auf uns. Danach fanden viele von uns die innere Harmonie beim Besuch in der Sauna, in der Kneipe oder beim Kartenspielen.
Der Sonntagmorgen begann wieder mit Frühgymnastik mit Karin, die dynamisch unsere müden Knochen in Schwung brachte. Vielen Dank, Karin! Um 9.15 Uhr stand unser letzter Vortrag auf dem Programm Pubertät – wenn Eltern und Großeltern schwieri werden. Es referierte die Diplompsychologin Christina Baumann. Pubertät ist die Übergangsphase von der Kindheit zum Erwachsenwerden. Sie ist die seelische Abnabelung vom Elternhaus. Die Jugendlichen durchleben widersprüchliche Gefühle. Es herrscht in ihnen immer Chaos ununOrientierungslosigkeit. Es gibt drei Entwicklungsstadien: Die erste – frühe Pubertät – findet in dem Alter von ca. 11 bis 14 Jahren statt. Die Jugendlichen werden mürrisch und aggressiv. Es ist der Beginn der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Sie werden trotzig und fühlen sich ungerecht behandelt (immer haben die anderen Schuld). Die Jugendlichen haben ein verzerrtes Wahrnehmungsverhalten. Sie suchen sich einen Freundeskreis, wo alle gleich sind (gleich Frisur, gleichen Hosen, gleichen Jacken usw.). Sie kleiden sich provokativ anders als die Erwachsenen. Die mittlere Pubertäts-Phase ist in dem Alter von 15 bis 16 Jahren. In dieser Zeit findet ein unabhängiges Denken statt. Sie sind wenig bereit sich anzupassen. Es besteht eine große Experimentierfähigkeit und es muss alles ausprobiert werden, auch wenn Risiken eingegangen werden. In dieser Phase werden von den Jugendlichen oft Drogen ausprobiert. Es ist also besonders in dieser Zeit wichtig, dass den Jugendlichen Liebe und Verständnis entgegen gebracht wird, gleichzeitig muss man ihnen aber auch Grenzen setzen. Die dritte Phase ist die späte Pubertät. Sie ist in dem Alter von 16 bis 18 Jahren. Jetzt suchen die Jugendlichen sich ihre Ideale. Während dieser Zeit verfallen sie schnell einer Sekte, da sie sich nur dort verstanden fühlen. Außerdem fühlen sie sich jetzt mit den Erwachsenen gleichwertig. Sie wissen in der Familie alles besser und haben immer das ?letzte Wort". Frau Baumann zeigte uns drei Erziehungsstile auf: Einmal den autoritären, sehr strengen Stil mit wenig Wärme. Die Auswirkung ist, dass das Kind keine eigene Persönlichkeit entwickeln kann. Dann gibt es noch den sorglos lässigen Stil. Bei diesem Erziehungsstil kann das Kind machen , was es will. Hauptsache die Eltern haben ihre Ruhe. Auch dies hat negative Auswirkungen: Das Kind hat keinen Halt. Bei dem dritten Erziehungsstil handelt es sich um einen Mittelweg aus beiden genannten Stilen. Die Eltern haben hier Verständnis für ihr Kind, diskutieren über Probleme, es werden ihnen aber auch Grenzen gesetzt. So werden die Kinder selbstbewusst und selbstsicher.
Um die schwiege Lebensphase – die Pubertät – zu bestehen, gibt es einige Verhaltensempfehlungen. Den Jugendlichen sollten Grenzen gesetzt werden und es sollte eine Bereitschaft der Eltern zu Gesprächen vorhanden sein. Die Eltern dürfen sich nicht von den Jugendlichen auseinanderdividieren lassen, sie müssen eine gerade Linie verfolgen. Außerdem sollten sie Lob und Anerkennung erhalten, aber bei Nichteinhaltung gesetzter Grenzen, müssen Strafen erfolgen und durchgezogen werden. Während der gesamten Erziehung muss man den Kindern Wärme geben und das Gefühl, dass sie so geliebt werden, wie sie sind. Dieser Vortrag endet mit einer regen Diskussion.
Heida Benecke verabschiedet sich von uns mit dem Hinweis, dass traditionsgemäß im nächsten Jahr die 30. Frauentagung stattfinden wird. Vielen Dank Heida für dieses informationsreiche, entspannte und lustige Wochenende und natürlich auch herzlichen Dank an die Küche der Ratzeburger Ruderakademie für die gute Verpflegung.
Doris Dreyer, Lübecker Frauen Ruder-Klub
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